Der yogische Weg zur Einfachheit in einer komplexen Welt

In unserer hypervernetzten, überreizten Welt ist es leicht, sich überfordert, benebelt und von dem, was wirklich zählt, abgekoppelt zu fühlen. Vom Moment des Aufwachens bis zum Zusammenbruch ins Bett werden wir mit Benachrichtigungen, Fristen, Verpflichtungen und Ablenkungen bombardiert. Dieses Wirrwarr an Komplexität lässt uns oft gestresst und zerstreut zurück. Doch was wäre, wenn die Lösung nicht darin läge, mehr zu tun, sondern weniger – bewusster?

Hier setzt der yogische Lebensstil an: ein System der Einfachheit, das auf Klarheit, Ausgeglichenheit und tiefer Verbindung basiert. Inspiriert sowohl von alter yogischer Weisheit als auch von modernen Erkenntnissen über Achtsamkeit und Wohlbefinden, können wir unser Leben vereinfachen – nicht indem wir Verantwortung ablehnen, sondern indem wir sie mit einem tieferen Sinn verbinden.

Einfachheit ist ein spirituelles Bedürfnis

In der yogischen Philosophie entsteht Komplexität durch Fragmentierung – durch die Trennung zwischen unseren Gedanken, Handlungen und unserem wahren Wesen. Wenn unser Geist in eine Richtung, unsere Emotionen in eine andere und unser Körper in noch eine andere geht, entsteht Unruhe. Yoga – abgeleitet vom Sanskrit-Wort yuj (verbinden) – zielt darauf ab, diese verlorene Harmonie wiederherzustellen.

Einfachheit ist keine Modeerscheinung, sondern eine Rückkehr zum Wesentlichen. So wie Swami Krishnananda schreibt, ist spirituelle Praxis „ein Tun, das aus dem eigenen Sein hervorgeht“. Es geht nicht darum, beschäftigt zu sein – sondern bewusst zu leben. Ein yogischer Lebensstil lädt uns ein zu fragen: Was ist mir wirklich wichtig? Und: Wie kann ich aus dieser Mitte heraus leben?

Der sechsseitige Weg zur Einfachheit: Ein yogisches Hexagon

Inspiriert von der Natur nutzt das Konzept der Hexagon Action den Bienenstock – ein Wunderwerk an Stärke und Einfachheit – als Symbol dafür, wie wir unsere Prioritäten strukturieren können. Die sechs Seiten dieses Hexagons – Klarheit, Individualität, Neustart, Wissen, Netzwerke und Zeit – spiegeln auch zentrale Werte des Yoga wider.

Lass uns jede dieser sechs Facetten aus yogischer Sicht betrachten:

1. Klarheit: Schluss mit Ablenkung

Unser moderner Geist leidet unter Infobesity – einem Übermaß an Informationen, das uns benebelt und ablenkt. Der yogische Weg zur Klarheit beginnt mit Pratyahara – dem Zurückziehen der Sinne. Es geht dabei nicht um Vermeidung, sondern um bewusstes Abschalten und Rückzug zur eigenen Mitte.

Wie beim „Internet-Sabbat“ – einer regelmäßigen Auszeit von digitalen Geräten – schafft es Pratyahara, den äußeren Lärm zum Schweigen zu bringen, damit die innere Stimme gehört werden kann.

Schon eine Stunde ohne Handy am Abend kann einen Unterschied machen. Gib deinem Geist Raum, sich zu klären.

2. Individualität: Lebe deine Wahrheit

Im Yoga spricht man von Dharma – dem ureigenen Lebensweg. So wie keine zwei Schneeflocken gleich sind, ist auch kein Mensch gleich. Einfachheit entsteht, wenn wir aufhören, alles für alle sein zu wollen, und beginnen, uns selbst treu zu sein.

Wer seinen Werten folgt, muss sich weniger rechtfertigen, erklärt weniger und lebt bewusster. Das kann bedeuten, eine Stelle abzulehnen, die nicht den eigenen Überzeugungen entspricht – oder den Alltag so zu gestalten, dass er spirituelles Wachstum ermöglicht.

3. Neustart: Erholung ist heilig

Auch Maschinen brauchen Neustarts – und wir genauso.

In der heutigen „Always-on“-Mentalität wird Erschöpfung oft mit Erfolg verwechselt. Doch wer ausgebrannt ist, hat keinen Zugang mehr zur eigenen Lebenskraft (Prana). Yoga lehrt, dass Erholung nicht optional ist – sondern notwendig.

Durch Techniken wie Savasana, Pranayama oder stille Meditation kann sich das Nervensystem neu justieren. Auch Reisen oder bewusste Pausen in der Natur wirken regenerierend – so wie es Pratyahara beabsichtigt.

Schon fünf Minuten Stille am Tag können Wunder wirken.

4. Wissen: Die Nahrung für den Geist wählen

So wie unser Körper durch Nahrung geformt wird, wird unser Geist durch Informationen geformt. Yoga betont Jnana – wahres Wissen – und nicht bloßes Datensammeln.

Wähle deine Informationsquellen weise. Lies ein inspirierendes Buch anstelle von endlosem Scrollen. Pflege Svadhyaya – das Selbststudium – als tägliches Ritual.

Ein „Wissens-Dashboard“ mit deinen wichtigsten spirituellen Quellen hilft dir, den Fokus zu bewahren.

5. Netzwerke: Echte Verbindung statt digitaler Kontakte

Wir sind soziale Wesen, doch echte Verbindung wird durch Bildschirme immer seltener. Im Yoga wird Satsang – die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten – als eine der wichtigsten Praktiken angesehen.

Weniger Networking, mehr Herzverbindung. Weniger Transaktion, mehr Begegnung.

Halte Blickkontakt. Sprich ehrlich. Höre wirklich zu. Umarme deine Liebsten. Nähe entsteht durch Präsenz – nicht durch Posts.

6. Zeit: Im Einklang mit deinem Rhythmus

Die westliche Welt sieht Zeit als Geld. Der yogische Weg sieht Zeit als Rhythmus.

Anstatt uns an äußere Zeitpläne zu klammern, lädt Yoga dazu ein, Kala Dharma zu praktizieren – das richtige Handeln zur richtigen Zeit. Beobachte deine eigenen Energiezyklen: Wann bist du kreativ? Wann brauchst du Ruhe?

Gestalte deinen Alltag im Einklang mit deinem inneren Takt. Yoga lehrt uns, mit Gegenwärtigkeit statt Hektik zu leben.

Praktische Schritte für einen einfachen, yogischen Alltag

Hier ein paar konkrete Tipps, wie du diese sechs Bereiche in dein Leben integrieren kannst:

  1. Morgenritual: Beginne den Tag mit Pranayama und 5 Minuten Stille.

  2. Digitales Fasten: Eine Stunde oder ein ganzer Tag pro Woche ohne Bildschirmzeit.

  3. Heilige Zeitplanung: Plane nicht mehr – sondern das Richtige.

  4. Asana als Achtsamkeit: Bewegung nicht als Workout, sondern als Verbindung zum Selbst.

  5. Tägliches Journal: Was macht mein Leben unnötig kompliziert? Was will ich wirklich?

  6. Echte Begegnung: Wähle Nähe über Masse. Qualität über Quantität.

Zurück zum Wesentlichen

Der yogische Weg ist kein Rückzug von der Welt – sondern ein bewusstes Leben in der Welt. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit zurückerobern, unsere Einzigartigkeit leben und aus der Stille heraus handeln, erleben wir eine tiefere Form von Erfüllung.

So wie Bienen ihre Waben durch klare Strukturen schaffen, können auch wir ein Leben aufbauen, das stark, friedlich und sinnvoll ist.

Erinnere dich: Dein Leben muss nicht perfekt sein.
Es muss nur im Einklang mit deinem Herzen sein.

Quelle für diesen Blogbeitrag:
Dieser Artikel basiert auf modernen Selbstentwicklungsansätzen und dem Modell der Hexagon Action zur Vereinfachung des Lebens, wie es in einer Blinkist-Zusammenfassung dargestellt wurde. Er wurde mit der zeitlosen Weisheit des Yoga angereichert, insbesondere durch Werke von Swami Krishnananda wie The Yoga of Meditation, True Spiritual Living und The Process of Spiritual Practice sowie weiteren Texten aus der Divine Life Society.

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Der Wunschbaum – Eine Geschichte überGedanken, Wünsche und die Kraft in uns